Geschichte der Diakonie

Diakonie ist – neben dem Bekenntnis und der Liturgie (Gottesdienstgestaltung) – eines der Wesensmerkmale der Kirche. Dabei reichen die Bezüge weit ins Alte und Neue Testament zurück: Die Fürsorge um Schwache und Kranke ist ein Gesetz des jüdischen Glaubens und von Jesus bis hin zur Feindesliebe erweitert worden.

Jesus gibt den Propheten des Alten Testamentes recht, wenn auch er anprangert, dass es eine Verirrung des Glaubens ist, wenn man meint, fromm sein zu können, ohne sich für soziale Gerechtigkeit, Krankenpflege, Armenfürsorge und Sorge für Witwen und Waisen einzusetzen. Seine Warnungen sprechen aus heutiger Perspektive auch die christliche Gemeinde an und halten dazu an, nebst Mission und Gottesdienstgestaltung sich auch jener Menschen anzunehmen, derer sich sonst niemand annimmt.

Während zahlreiche diakonische Dienste, die in der Antike und im frühen Mittelalter von der Kirche getragen wurden (Gründung und Führung von Hospizen, Armenhäusern und Waisenheimen) heute mehr und mehr von freien Anbietern getragen werden, muss von der Bibel her klar gesehen werden, dass die Kirche den diakonischen Auftrag niemals ganz an andere Träger abgeben kann. Auch wenn Jesus eine Frömmigkeit ohne Nächstenliebe kritisiert, so stellt er auf der anderen Seite klar, dass der Glaube heilt.

Dieser Aspekt geht verloren, wenn die Kirche soziale Dienste aus der Hand gibt. Diakonie lebt davon, dass Christen im persönlichen Einsatz, haupt- oder ehrenamtlich, die Nächstenliebe und den Glauben zu Bedürftigen tragen. In seiner unvergessenen Rede auf dem Kirchentag zu Wittenberg, hat der Gründer der modernen Diakonie, Johann Hinrich Wichern, den Kirchenvertretern zugerufen: „der Glaube gehört mir wie die Liebe“.

Der Ursprung von Diakoniestationen geht bis in den Anfang des 20. Jahrhunderts zurück. Viele Kirchengemeinden hatten sogenannte Gemeindeschwestern angestellt, die sich um Arme und Bedürftige kümmerten, aber auch für Kranke und Pflegebedürftige da waren. Mit der Einführung der Pflegeversicherung 1995 änderten sich die Strukturen im Gesundheitsbereich grundlegend: Nun wurden für die Erbringung und Abrechnung von Kranken- und Pflegeleistungen professionelle Strukturen gefordert, die Gemeindeschwestern oft nicht erfüllen und einzelne Kirchengemeinden nicht leisten konnten.

Geschichte der Diakoniestationen An der Agger und in Windeck

Auch die Diakoniestationen im Oberbergischen Kreis und im Rhein-Sieg-Kreis haben ihren Ursprung in der Krankenversorgung durch Gemeindeschwestern. Jede Kirchengemeinde konnte auf eine oder mehrere von ihnen zurückgreifen, wenn Hilfe vor Ort benötigt wurde.

Die Ausbildung der Gemeindeschwestern genügte jedoch oft nicht mehr den gesetzlichen Anforderungen an ambulante Pflege. Qualifiziertes Personal musste eingestellt werden. Die Kirchengemeinden waren den neuen Anforderungen – vor allem seit Einführung der Pflegeversicherung – nicht gewachsen und schlossen sich 2001 im Verband der Diakoniestation An der Agger und in Windeck zusammen, der als gemeinsamer Träger von zunächst sechs, später fünf Diakoniestationen fungierte. Damit wurden die ersten Strukturen für eine professionelle und gemeinsame Leitung in kirchlicher Organisation geschaffen. Als Name wurde bewusst „Diakonie vor Ort“ gewählt, um deutlich zu machen: wir pflegen weiterhin in den Kirchengemeinden in Tradition der Gemeindeschwestern.

In der Folgezeit wurde deutlich, dass diese Organisation weiter angepasst werden musste. Deshalb gründeten 10 Kirchengemeinden im Jahr 2009 eine gemeinnützige GmbH, um die Organisationsstruktur zu verschlanken und den wirtschaftlichen Erfordernissen am Markt anzupassen. Alle Mitarbeitenden wurden in die neue Gesellschaft überführt.

Um neben der Nächstenliebe auch den Glauben zu den Menschen zu tragen, zahlen die Trägergemeinden der Gesellschaft sogenannte diakonische oder auch seelsorgerische Beiträge. Damit können die Mitarbeitenden der Diakonie ein nicht von den Kassen refinanziertes „Mehr“ an Seelsorge leisten. Die Mitarbeitenden werden dazu regelmäßig geschult. Mit diesem Angebot haben die Diakoniestationen ein Alleinstellungsmerkmal im Oberbergischen und im nördlichen Rhein-Sieg-Kreis.

Neben der Gesellschafterversammlung und dem Aufsichtsrat sind auch fünf Bezirksbeiräte eingerichtet worden. In diesen wird die Zusammenarbeit der Diakoniestationen mit den Kirchengemeinden abgestimmt, Veranstaltungen und Aktionen geplant oder auch Diakoniesonntage gestaltet. Damit bleibt die Anbindung der Diakoniestation an die Kirchengemeinde erhalten.

Zurzeit werden von der Gesellschaft fünf Diakoniestationen an den Standorten Bergneustadt, Gummersbach, Waldbröl, Wiehl und Windeck betrieben. Darüber hinaus sind in Drabenderhöhe, Morsbach und Windeck-Rosbach Büros als Außenstellen der jeweiligen Diakoniestation eingerichtet worden, um den Pflegebedürftigen kurze Wege zu gewährleisten. Gleichzeitig dienen sie auch als Anlaufstelle im Gemeindegebiet der Kirchengemeinde vor Ort.

Die Diakoniestationen sollen sichtbarer werden und den hilfsbedürftigen Menschen auch in der Fläche Angebote unterbreiten. Außerdem werden neue Angebote entwickelt, z.B. das Projekt Tagesbetreuung (s. Tagesbetreuung), um den hilfsbedürftigen Menschen ein möglichst langes eigenständiges selbstbestimmtes Leben in der gewohnten Umgebung zu erschwinglichen Preisen zu ermöglichen.

Sebastian Wirth